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Das Autogene Training – Kühler Kopf und warme Füße

Das Autogene Training ist das Entspannungsverfahren für das 20. Jahrhundert. Heute ist das Autogene Training vermutlich das weltweit bekannteste Entspannungsverfahrung und beispielsweise in Österreich sogar eine gesetzlich anerkannte Psychotherapiemethode.

Das Autogene Training – Kühler Kopf und warme Füße

Das Autogene Training ist das Entspannungsverfahren für das 20. Jahrhundert. Es wurde vom Berliner Psychiater Johannes Heinrich Schultz (1884 bis 1970) aus der Hypnose entwickelt, 1926 erstmals vorgestellt und 1932 in seinem Buch „Das autogene Training“ publiziert. Heute ist das Autogene Training vermutlich das weltweit bekannteste Entspannungsverfahrung und beispielsweise in Österreich sogar eine gesetzlich anerkannte Psychotherapiemethode.

J. H. Schultz war Arzt und arbeitete zusammen mit Oskar Vogt über Hypnose, die sie zur Schmerzbehandlung einsetzen. Bei ihren Versuchen stellten nun zu ihrer Verblüffung fest, dass die Patienten sich selbstständig die Hypnoseformeln vorsprachen und damit fast genauso gute Erfolge erzielten. Das versprach natürlich einen ungeheuren Vorteil. Einer der Nachteile der Hypnose liegt ja darin, dass der Patient des Hypnotiseurs bedarf. Der junge Arzt Schultz begann sich nun die Hypnoseformeln ebenfalls vorzusprechen, er machte Selbsthypnose und aus diesen Versuchen entstand das Autogene Training, das ja auch als kleine Schwester der Hypnose bezeichnet wird.

Autogen kommt aus dem Griechischen und heißt „selbsttätig/selbsterregt.“ Autogenes Training ist also Entspannung durch selbsttätiges, aus sich selbst erregtes Üben oder anders formuliert Entspannung durch Konzentrationsübungen mit autosuggestiven Vorstellungen.

Als Arzt ging er nun ganz physiologisch vor. Um Entspannung zu erreichen braucht es Ruhe und Ruhe erinnert an Schlaf. Vor Beginn der Übung schließt man daher die Augen und gibt sich das Ziel, die sogenannte Ruhetönung vor. Sie lautet: „lch werde ganz ruhig. Ruhe kommt, Unruhe geht.“

Im normalen Alltag ist der Körper angespannt, er muss jederzeit reagieren, loslaufen können. Um zu regenerieren muss er diese Anspannung loslassen. Dazu dienen nun die Schwereformeln. Neben ihrer eigentlichen Botschaft einen Schwerezustand zu erzeugen, haben sie den Zweck das Alltagsbewusstsein zu beschäftigen, also einzuengen, fokussieren sagt man im Fachgebrauch, das kritische Bewusstsein verschwindet und macht einer Innenschau Platz, die nun spürt wie der angespannte Körper angenehm schwer wird. Rein physiologisch entspannen sich dabei die Muskeln, wodurch sie besser durchblutet werden, was sich in einem Wärmegefühl äußert. Das sich abzeichnende Wärmegefühl wird nun durch die Wärmeformeln verstärkt. Der Körper ist nun angenehm schwer und warm.

Nun folgen die Organformeln, die auf die Beruhigung von Atmung, Herz und Magen zielen und dadurch besser durchblutet werden, was sich durch Eigengeräusche bemerkbar macht. Zum Schluss wird die Stirn angesprochen. Sie wird kühl und klar. Das kritische Denken ist verschwunden, statt dessen herrscht eine Gelöstheit vor, wie wir sie beim Einschlafen und Aufwachen kennen und damit ist unsere Zielvorgabe – warme Füße und einen kühlen Kopf bewahren – erreicht – was der Volksmund natürlich schon immer gewusst hat.

Meines Erachtens ist das AT eine säkulare Meditationstechnik. Die Leistung von J. H. Schultz besteht darin, ein modernes Versenkungsverfahren entwickelt zu haben, bei dem seelische und körperliche Entspannung ohne jeden religiösen Bezug erfolgt. Das AT kann daher von jedem Menschen, egal welcher Weltanschauung durchgeführt werden. Es sei denn die Religion erhebt den Anspruch, die alleinige Urheberschaft auf Entspannung zu besitzen, dann wird sie natürlich das AT nicht anerkennen.

Eintrainieren und Praktizieren des AT

Zwischen dem Eintrainieren und dem Praktizieren des AT muss genau unterschieden werden. Es kann sowohl einzeln, als auch in Gruppe erlernt werden. In der Regel wird es in der Gruppe erlernt. Solch eine Gruppe hat sechs bis zwölf Teilnehmer. Der Kursleiter spricht die Formel vor und die Teilnehmer lassen sie auf sich wirken, danach äußert sich jeder, wie er es erlebt hat, dann wird die Formel allein eingeübt und anschließend wieder besprochen. Da jeder das AT etwas anders erlebt erfährt man so ein gutes Korrektiv, dazu kommt der feste Termin, die Energie der Gruppe und die Dauer des Unterrichts, meist 60 bis 90 Minuten, deren Länge ja vom eigenen Üben stark abweicht.

Eine wichtige Frage ist nach dem regelmäßigen Üben. Die Übungsteilnehmer befinden sich in einer paradoxen Situation. Sie kommen wegen Stress und sollen sich entspannen und der Stress, wir nennen ihn den kleinen Affen, wird alles tun, um die Entspannung zu verhindern. Hier hilft nur genau zu beobachten, warum man wieder keine Zeit und keinen Ort zum Üben gefunden hat. Durchgeführt wird das AT im Sitzen oder im Liegen, wobei dem Sitzen der Vorzug gegeben wird, da selten ein Bett, aber immer ein Sitzplatz zur Verfügung steht. Die Augen sind immer geschlossen.

Abgeschlossen wird das AT mit der sogenannten Rücknahme. Da das AT eine Entspannung darstellt erfolgt die Rücknahme über eine Anspannung der Muskeln, die folgendermaßen vorgenommen wir: Bei noch geschlossenen Augen werden die Unterarme dreimal hintereinander mit kräftig geballten Fäusten ruckartig und angespannt bis zu einem gedachten Anschlag an die Schultern geführt. Beim dritten Mal wird tief eingeatmet, dann öffnet man die Augen, atmet aus und entspannt die Muskeln.
In der Einübungsphase sollte täglich eine Viertelstunde zur immer gleichen Zeit geübt werden. Hierfür bietet sich die Mittagspause oder der Dienstschluss an. Mittags geht man frisch gestärkt in die Arbeit, abends schaltet man für den Feierabend ab. AT ist zwar ein gutes Mittel zum Einschlafen, doch sollte es nicht vor dem Einschlafen eingeübt werden, da man dann über den Übungen einschläft und sie nicht richtig erlernt werden. Es bedarf eines störungsfreien Raums, Telefon ausstecken. In der Übungsphase werden nur die jeweiligen Übungen geübt. Jede einzelne Übung sollte acht bis vierzehn Tage geübt werden, bis man zur nächsten übergeht. Das Erlernen der Unterstufe dauert zwei bis drei Monate. Das Üben des AT führt zu einer veränderten Haltung gegenüber Anspannung. Die Grundhaltung wird entspannter, man wird vom Stress nicht mehr so leicht ergriffen und kommt man in Stress, löst sich man leichter.

AT ist kein Wundermittel, es optimiert lediglich unsere eigenen Fähigkeiten. Für den akuten Stress ist AT nicht geeignet. Hierfür ist die Psychohygieneatmung von Hannes Lindemann vorzuziehen, bei der ein Takt eingeatmet und vier Takte ausgeatmet werden. Dies führt zu keiner Regeneration, doch zu einem blitzartigen Aussteigen aus dem Stress. Hat man das AT erlernt sollte das tägliche Üben beibehalten werden, die Umschaltung sollte nun in zwei, drei Minuten gelingen.

Die Durchführung der AT-Übungen

Für die Durchführung der AT-Übungen muss zunächst die richtige Haltung eingenommen werden. J. H. Schultz empfahl die Droschkenkutscherhaltung, die er den Kutschern im Berlin der 20-er Jahre abgeschaut hatte. Gleichzeitig wird im AT nie dogmatisch vorgegangen, sondern man schreibt sich sein AT selbst, findet also die Haltung, die am bequemsten für einen ist. Ich empfehle die klassische Meditationshaltung, wie ich ja auch der Meinung bin, dass es sich beim AT um eine säkulare Meditation handelt. Man sitzt am Rand des Stuhls, beide Beine fest auf dem Boden aufrecht. Anfangs verursacht diese Position Schwierigkeiten, da die Rückenmuskulatur nicht geübt ist, doch ist sie bei längerem Üben, vor allem bei der Oberstufe von Vorteil, da man hierbei am wenigsten der Schwerkraft ausgesetzt ist und nicht auseinandergerissen wird. Nachdem die entsprechende Stellung eingenommen wurde, erfolgt eine passive Konzentration auf die Formel der jeweiligen Übung, indem man sich diese Formel vorstellt bzw. im Geist hersagt. Wichtig ist, sich wörtlich genau an den Formelinhalt zu halten. Dabei soll die Verwirklichung des Formelinhalts nicht erzwungen werden, also nicht durch aktive Leistung zustande kommen.

Alle Formeln werden immer drei Mal wiederholt. Begonnen wird mit der Ruhetönung. Sie geht stets allen anderen Übungen voraus. Dazu stellt man sich die Formel: „ich werde ganz ruhig. Ruhe kommt, Unruhe geht“ vor. Dann folgt die Schwerevorstellung „Rechter Arm ganz schwer“, darauf folgt „Beide Arme ganz schwer, Arme und Beine ganz schwer, Ganzer Körper schwer.“

Auf die gleiche Weise wie die Schwereempfindung wird daraufhin die Wärmeempfindung konditioniert. Die Formel lautet: „Rechte Hand, rechter Arm ganz warm“; „Hände und Arme ganz warm“; „Füße und Beine, Hände und Arme ganz warm.“

Diese Formeln kann man in einem zweiten Durchgang durch die verkürzte Formel: „Ruhe-Schwere-Wärme“ ersetzen. Mit der Übungsfolge „Ruhe-Schwere-Wärme“ beherrscht man nun die Grundübungen des AT. Sie gehen allen weiteren Übungen voran.

Es folgen nun die Organübungen, die jeweils beibehalten werden. Die Übung verlängert sich also mit jeder dazukommenden Formel.

Die Organübungen:

„Es atmet mich“, oder „die Atmung ist ganz ruhig“, oder „ich überlasse mich meiner Atmung“, „Der Puls ist ruhig und spürbar“, oder „der Puls ist spürbar ruhig“, oder „das Herz schlägt ruhig und kräftig“, oder „das Herz schlägt ruhig und gleichmäßig“ – die rechte Hand ruht dabei locker über der Herzgegend. „Der Bauch ist strömend warm“, oder „das Sonnengeflecht ist strömend warm“ – die rechte Hand ruht dabei auf dem Oberbauch. „Die Stirn ist kühl und leicht.“

Als Abschluss folgt die Aufweckformel: Hände zur Faust ballen. Arme zur Schulter beugen und einatmen. Arme strecken und ausatmen. Beim dritten Mal Augen auf!

Die Oberstufe

Die Oberstufe erinnert stark an die klassische Meditation. Sie wurde ebenfalls von J. H. Schultz entwickelt und setzt die Beherrschung der Grundstufe voraus. Verlangt wird eine schlagartige Umschaltung in den Ruhezustand innerhalb von zwei, drei Minuten, was bei regelmäßigem Üben normalerweise nach sechs bis zwölf Monaten erreicht wird. Die Oberstufenübungen erfordern eine Versenkungsdauer von 30 bis 60 Minuten und sollten einmal täglich durchgeführt werden. Bei der Oberstufe werden die geschlossenen Augen nach oben innen gerichtet, man blickt auf einen Punkt zwischen den Augenbrauen.

Die Farbschau

Die erste Übung ist die sogenannte Farbschau. Es wird versucht das gesamte Gesichtsfeld mit einer beliebigen Farbe auszufüllen – es erscheint nun die sogenannte Eigenfarbe, die einer Deutung zugänglich ist. Anschließend werden die Farben vorgegeben. Für die Farbschau werden etwa drei Wochen benötigt.

Die Objektschau

Die zweite Übung ist die Objektschau. Die Übungsteilnehmer sollen dabei bestimmte Objekte vor ihrem geistigen Auge erscheinen lassen. Als nützlicher Nebeneffekt stellt sich bald eine allgemeine Schärfung der Beobachtungsgabe ein. Für diese Übung werden vier bis sechs Wochen benötigt.

Das Sehen von abstrakten Begriffen

Die dritte Übung gilt dem Sehen von abstrakten Begriffen wie Zufriedenheit oder Glück. Die Resultate lassen sich im Sinne der Tagtraumtechnik symbolhaft deuten und stellen in vielen Fällen ein kathartisches Erleben und damit Verarbeiten dar.

Das Erleben des Eigengefühls

Die vierte Übung gilt dem Erleben des Eigengefühls. Es wird versucht, sich den am tiefsten gewünschten Gefühlszustand bildhaft vorzustellen.

Einfühlungsgabe in andere Menschen

Bei der fünften Übung wird die Einfühlungsgabe in andere Menschen konditioniert. Der Übende versucht sich dazu einen anderen Menschen so plastisch und lebendig wie möglich vorzustellen. Diese Technik kann genutzt werden, um durch das öftere Vorstellen von Personen, zu denen eine problematische Beziehung besteht, eine reinigende Neutralisierung zu erreichen.

Fragen an die Versenkung

Bei der sechsten Übung folgen Fragen an die Versenkung. Diese Übung zielt auf eine Bewältigung alltäglicher Probleme, auf eine Erfassung des Menschseins und individuelle Erkenntnisbildung, also auf die Bildung einer Weltanschauung.

Die Selbstverwirklichung

Als letzte Stufe folgt die Selbstverwirklichung. In der Oberstufe versucht man also die Voraussetzungen zu schaffen, um der zugrundeliegenden Persönlichkeit zum Durchbruch zu verhelfen. Aus den dabei gewonnenen Einsichten wird nun eine Persönlichkeitsformel gebildet, die in der Versenkung regelmäßig geübt wird. Solche Formeln können z. B. lauten: ich bin frei, ich bin sicher, ich entscheide selber, Leben ist Wandel.

Leitsatzbildung

Neben der Oberstufe gibt es noch die Technik der Leitsatzbildung auch formelhafte Vorsätze genannt. Man führt dazu das AT durch und verharrt in dem entspannten Zustand und stellt sich seinem Problem, bsp. Einschlafschwierigkeiten und wartet auf eine positive Formel. Im Idealfall lautet sie: „ich schlafe von selber ein“ oder „ich schlafe tief und fest“ oder „ich schlafe durch“ oder „ich wache erholt auf.“ Sie wird nun wie die anderen Formeln an das AT angehängt und mitgeübt – man redet sich also das Gewünschte ein. Die formelhafte Leitsatzbildung muss mit einem Therapeuten oder in der Gruppe eingeübt werden, da der Mensch über den sogenannten Blinden Fleck verfügt, das heißt sich selber ausgeliefert ist, er neigt dazu sich zuviel vorzunehmen, was er nicht realisieren kann, und wenn es nicht klappt ist er enttäuscht oder die Seele wehrt sich und wird krank, außerdem müssen die Leitsätze immer positiv und knapp formuliert sein, so dass es oftmals der Korrektur durch den Leiter oder Therapeuten bedarf.
Das bekannteste Beispiel für eine Leitsatzbildung ist vielleicht von dem AT-Lehrer und Arzt Hannes Lindemann. Um den Beweis für die Wirksamkeit des AT zu erbringen hatte er in den fünfziger Jahren den Atlantik allein in einem Faltboot überquert und sich dafür den Leitsatz „Kurs West“ permanent vorgesagt und hatte Erfolg damit.

Ich möchte hier betonen, dass das AT kein Ersatz für eine Psychotherapie ist. Es hilft dem Gesunden gesünder zu werden und dem Kranken leichter zu gesunden oder nicht noch kränker zu werden und es verhilft bei regelmäßigem Üben zu einer allgemeinen seelischen und körperlichen Stärkung. Psychische Probleme wie Depression oder Sucht gehören in die Hand des Therapeuten. Wie bei allem ist auch das AT eine Frage der Begabung, der eine lernt es leichter, der andere schwerer, doch ist es von fast jedem zu erlernen wie seine weltweite Beliebtheit zeigt.

Literatur zum Autogenen Training:

D. Langen, Der Weg des Autogenen Trainings, 1968. – Hannes Lindemann, Autogenes Training. Der bewährte Weg zur Entspannung, 1989. – Ders., Einfach entspannen. Psychohygiene-Training, 1984. – Ders., Allein über den Ozean. Ein Arzt in Einbaum und Faltboot, 1979. – W. Luthe, Autogenes Training, 1965. – Isolde Mack, Aus der Entspannung leben. Selbsthilfe durch Autogenes Training, 1988. – Else Müller, Bewusster Leben durch Autogenes Training und richtiges Atmen, 1984. – Dies., Du spürst unter deinen Füssen das Gras. Autogenes Training in Phantasie- und Märchen-reisen. Vorlesegeschichten, 1983. -Burkhard Peter/Wilhelm Gerl, Entspannung. Muskelentspannung, Autogenes Training und Meditation, 1977. – Karl Robert Rosa, Das ist Autogenes Training, 1987. – Ders., Das ist die Oberstufe des Autogenen Trainings, 1983. – Johannes Heinrich Schultz, Das Autogene Training. Konzentrative Selbstentspannung, 1932 (zahlreiche Neuauflagen). – B. Stokvis/E. Wiesenhütter, Lehrbuch der Entspannung, 1979, – K. Thomas, Praxis der Selbsthypnose des Autogenen Trainings (nach J. H. Schultz). Formelhafte Vorsatzbildungen und Oberstufe, 1976. – Heinrich Wallnöfer, Gesund mit Autogenem Training, 1983. – Ders. Seele ohne Angst. Autogenes Training, Hypnose-Wege zur Entspannung, 1988.

  • Vortrag von Heilpraktiker Dr. phil Frank Welte

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